Geschichte der Speeler Friedenskirche

Friede auf Erden und ein Bild Jesu im Herzen

Seit ihrem 200. Jubiläum heißt die Speeler Kirche Friedenskirche, was auf die wechselhafte, durchaus nicht immer friedvolle Geschichte des Gotteshauses Bezug nimmt: Nachdem das alte Kirchengebäude, das 1480 errichtet worden war und nach den Zerstörungen in den Kämpfen des 30 jährigen Krieges wieder aufgebaut worden war, erneuert werden musste, wurde 1782 der Bau der heutigen Kirche beschlossen. Vielleicht war das Gebäude bei den Straßenkämpfen in Speele während der Schlacht bei Lutterberg im Jahr 1762 beschädigt worden, was den Neubau nötig machte. An die Kriegsnot und Friedenssehnsucht der Schreckensjahre des 30-jährigen Krieges erinnert jedenfalls noch der Gedenkstein im Mauerwerk, von der Kirchentür aus gesehen rechts neben dem Altar.

Inschrift: GOTT ZU LOB EHR, UND DANCK DAS ER UNS HAT ERHÖRT; DEN LANG GEWÜNSCHTEN FRIDT UNS AUS GENAD BESCHERT

Er war den Speeler Bürgern wohl so wichtig, dass er in die neue Kirche übernommen und dort zum zweitenmal in die Wand eingelassen wurde. Und bezeugt, wie drängend für die Menschen in dieser leidvollen Zeit der Wunsch nach Frieden war. Das vermutlich 1789 fertig gestellte Gotteshaus wurde in seinem Inneren das ganz im Geschmack des Rokoko mit Holzschnitzereien ausgestattet, von denen heute noch alte Zeichnungen einen Eindruck vermitteln und die dem durch die hohen Fenster lichten Raum ein leichtes und beschwingtes Erscheinungsbild gaben. Dazu passten auch die 1821 begonnene Empore und die Verzierungen der Orgel, die heute noch vorhanden sind. Decke und Wände, erhielten schließlich bei der großen Renovierung von 1894 eine neue Bemalung, von der sich ältere Speeler heute vor allem an das an. der Decke angebrachte majestätische Christusbild erinnern. Es war im Stil der Ikonen orthodoxer Kirchen gehalten und stellte Jesus im Stil des Allherrschers mit langem Bart und der aufgeschlagenen Bibel in der Hand dar.

Diese über Jahrhunderte. gewachsene Ausstattung der Kirche, die viel von ihrer Geschichte, auch von den wechselnden Moden der Zeit und dem Geschmack von Generationen von Speelern verrät, verschwand dann zu großen Teilen bei der grundlegenden Renovierung von 1968. Damals wurden beispielsweise das Deckengemälde übermalt, sodass es auch bei den Arbeiten an dem letzten neuen Anstrich des Innenraums im Jahr 2004 aus Kostengründen nicht wieder hergestellt werden konnte. Trotz aller dieser Veränderungen ist heute die Friedenskirche nicht ohne künstlerische Höhepunkte, wozu vor allem die Ölgemälde an den beiden Seitenwänden des Kirchenschiffs zählen.

Ganz im Stil der religiösen Kunst des vergangenen Jahrhunderts versuchen die beiden Bilder, anders z.B. die spätmittelalterlichen Wandmalereien in Lutterberg, nicht die Gläubigen zu belehren oder gar den des Lesens Unkundigen ‘als Unterweisung zu dienen. Sie wollen vielmehr den Betrachter ergreifen und rücken dramatische Szenen aus dem Leben Jesu in das Zentrum der Darstellung. Hierbei kommt es dem Künstler darauf an, den Einzelnen im Inneren zu bewegen, weniger aber den, Betrachter zu informieren. Dennoch hat auch diese Form religiöser Kunst ein erbauliches Moment, will sie doch die Gefühlswelt desjenigen, der das Gemälde erblickt, anregen und ihn in Wendepunkte der biblischen Geschichte mit hineinnehmen. Auf diese Weise wird die Gottesbeziehung als im Gefühlsleben jedes Menschen verankert angesehen.

Geschaffen wurden die beiden Bilder von dem lange Zeit in Speele ansässigen Maler Rudolf Siegmund (1881 1973), der sie der Kirchengemeinde schenkte. Siegmund stammte ursprünglich aus Thüringen, studierte an der Kunstakademie in Weimar und lehrte von 1913 bis 1920 in Kassel an einer der ältesten deutschen Kunsthochschulen, die bereits 1777 vom Landgrafen Friedrich II gegründet worden war. Er hinterließ in und um Hann. Münden zahlreiche Spuren seines künstlerischen Schaffens. So stattete er die Emporenbrüstung der Johanniskirche in Uschlag bei deren Renovierung in den Jahren 1919 und 1920 mit einem Zyklus von Gemälden mit Darstellungen aus dem Leben Jesu aus und schmückte. die untere Rathaushalle in Hann. Münden zwischen 1928 und 1929 mit Wandbildern, die wichtige Begebenheiten und der Stadtgeschichte abbilden.

Die beiden Ölbilder in der Friedenskirche in Speele bilden zweifellos einen besonderen Höhepunkt innerhalb der Kirchenausstattung und sind an den beiden Seitenwänden an herausgehobener Stelle angebracht. Das Gemälde an der von der Kirchentür aus gesehen linken Seitenwand zeigt einen auf einer Wiese liegenden jungen Mann mit gefalteten Händen. Über seinem Kopf erscheint in einem hellen Licht ein Engel mit weißen Flügeln, der seine Hand zu dem liegenden Mann hin ausstreckt. Dieses Bild wird meist als das letzte Gebet Jesu in Gethsemane gedeutet, in dem Jesus vor seiner Verhaftung, die zu seiner Hinrichtung durch die Römer führte, mit seiner eigenen Todesangst gerungen hat. Dabei erschien ihm “ein Engel vom Himmel und stärkte ihn” (Lk. 22,43). Im Hintergrund schlafen zwei seiner Jünger, deren Verhalten in scharfen Kontrast zu dem aus tiefer Anfechtung gesprochenen Gebet Jesu steht. Sie scheinen nicht begriffen zu haben, worauf es in dieser Stunde ankommt, lassen ihren Herrn allein und befolgen seine Mahnung zu warten und zu wachen nicht (Lk.22,45).

An der rechten Seite hängt ein weiteres Ölbild Siegmunds, das wohl die Gefangennahme Jesu darstellt. Jesus, der in der Bildmitte mit rotem Gewand zu sehen ist, wurde nach seiner Festnahme in den Palast des Hohenpriesters zu einem ersten Verhör gebracht. Als einziger Jünger wagte Petrus ihm zu folgen und “saß bei den Dienern und wärmte sich am Feuer” (Mk.14,54; Lk. 22,55). In der linken Bildhälfte ist der Lichtschein eines lodernden Feuers zu sehen, wie es im Hof des Hauses des Hohenpriesters brannte (Lk. 22,55). Dort wird Petrus von den Bediensteten als Jünger Jesu erkannt, aber aus Angst behauptet er, mit Jesus nie etwas zu tun gehabt zu haben: “Mensch, ich weiß nicht, was du meinst und sofort, während er noch redete, krähte der Hahn. Und der Her wandte sich um und blickte Petrus an” (Lk. 22, 60-61). Dieser Moment der Verleugnung, bevor sich Jesus umdrehte, könnte in dem Bild eingefangen sein und Petrus wäre also der ältere Mann rechts hinter Jesus, der vom Lichtschein angeleuchtet wird und gerade abstreitet, Jesus zu kennen.

Beide Kunstwerke setzen somit Szenen der persönlichen Entscheidung und Gottesbegegnung gerade in gefahrvollen Augenblicken in Bild und wollen den Besucher des Kirchenraums damit auf diese persönliche Dimension des Glaubens hinweisen, der stets die innere Erfahrung des einzelnen Menschen und seine bewusste Hinwendung zu Gott als Kristallisationspunkt religiösen Lebens voraus setzt.